Das COVID-19 Gesetz
Das Volk wird am 13. Juni über das Bundesgesetz vom 25. September 2020 über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) befinden. Augenscheinlich sind sich die Befürworter*innen sehr siegessicher, einen Abstimmungskampf betreiben sie nach wie vor nicht. Das ist sehr überraschend, denn das Thema Corona und deren negative Folgen betrifft viele Menschen. Zudem ist das Thema mehr und mehr emotional aufgeladen. Dieser Blogbeitrag soll aufzeigen was geschehen würde, falls es wider Erwarten zu einem Nein an der Urne kommt.
Wer hat das Referendum ergriffen?
Die Gruppierung «Freunde der Verfassung». Mit Unterstützung der Gruppierungen «Netzwerk Impfentscheid» und «Bürger für Bürger». Das Referendum ist mit 90’789 gültigen Unterschriften zustande gekommen (Fakultatives Referendum = min. 50 000 gültige Unterschriften).
Worüber stimmen wir ab?
Das Covid-19-Gesetz ist ein dringliches Bundesgesetz nach Artikel 165 der Bundesverfassung.
Das Covid-19-Gesetz ist bereits in Kraft.
In erster Linie sieht es Massnahmen vor zur Unterstützung der wirtschaftlichen Opfer der Pandemie:
- Menschen, die ihr Einkommen verloren haben.
- Arbeitslose, die im Moment keine Arbeit finden.
- Unternehmen, die von den Behörden angewiesen wurden, ihre Tätigkeit vorübergehend einzustellen.
- Unternehmen, deren Tätigkeit zusammengebrochen ist, obwohl sie nicht von einer Behörde eingestellt wurde.
Wer geimpft ist, einen negativen Corona-Test vorweisen kann oder bereits eine Erkrankung durchgemacht hat, soll von den geltenden Corona-Einschränkungen befreit werden können. Das ist die Idee hinter dem amtlichen «Nachweis», den das Parlament ins Covid-19-Gesetz geschrieben hat. Demnach soll der Bundesrat die Anforderungen an einen solchen «Nachweis» festlegen.
Nicht betroffen vom Gesetz
Unabhängig davon, ob das Volk JA oder NEIN sagt, folgende Punkte sind nicht vom Gesetz betroffen:
- Impfungen - Das Impftempo bleibt gleich und auch das Zulassungsverfahren für die Impfstoffe bleibt gleich.
- Die Massnahmen gegen COVID-19 - Auch bei einem Nein zum COVID-19-Gesetz bleiben die Massnahmen grundsätzlich in Kraft, denn die Pandemie lässt sich nicht per Volksabstimmungen beenden.
- Dies gilt auch für die Maskenpflicht - Die Maskenpflicht bleibt bis auf Weiteres bestehen.
Argumente gegen das COVID-19-Gesetz
- «Der Bundesrat verfüge schon jetzt über die Instrumente, einem neuen Auftreten der Pandemie zu begegnen.»
- «Das Covid-19-Gesetz sieht Subventionen für Medien vor. Profitieren würden vor allem solche, die Panik verbreiten.»
- «Das Covid-19-Gesetz markiert eine neue Phase der Corona-Krise: Die Bewältigung der Schäden der Massnahmen, die der Bundesrat selber durchgesetzt hat.»
- Schulden für Jahrzehnte.
- «Die echten gesellschaftlichen Probleme sind nicht einer Übersterblichkeit geschuldet, sondern Folgen des Lockdowns und von Zwangsmassnahmen wie Maskenpflicht und Quarantäne.»
- Einführung einer indirekte Impfpflicht.
- Der Bundesrat habe in seiner Botschaft zum Epidemiengesetz geschrieben, eine ausserordentliche Lage nur bei einer «Worst Case Pandemie (Spanische Grippe)» auszurufen, woran er sich nicht gehalten habe.
Argumente für das COVID-19-Gesetz
- Niemand kann mit Sicherheit sagen, dass die COVID-19 Krise am 25. September 2021 beendet ist.
- Die Ablehnung des Gesetzes führt zu einer massiven Rechtsunsicherheit.
- Das COVID-19 Gesetz enthält keinen Impfzwang.
- Insbesondere betroffene KMUs ziehen ohne das Gesetz grosse Schäden davon.
- Bei Grenzschliessungen ergreift der Bundesrat Massnahmen, um die Reisefreiheit der Grenzgänger/innen bestmöglich zu gewährleisten.
- Auch die Medien seien in eine kritische Situation geraten, weil die Werbeeinnahmen stark zurückgegangen seien
- Laut Bundesrat und Parlament bilde die Coronapandemie die schwerste Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und habe zudem eine grosse Wirtschaftskrise ausgelöst.
Was passiert bei einem Nein zum Gesetz
Das Gesetz tritt am 25. September 2021 ausser Kraft und danach darf das Gesetz nicht mehr erneuert werden. Somit würde den Unterstützungsleistungen die gesetzliche Grundlage entzogen.
Kurzfristig kann so zwar Geld gespart werden. Aber mittel- und langfristig werden die volkswirtschaftlichen Schäden grösser sein (sinkende Kaufkraft, mehr Konkurse).
Offen ist, ob der Bundesrat im Fall einer Ablehnung Teile des Gesetzes, z.B. die finanzielle Hilfe für Menschen und Unternehmen, mithilfe von Notrecht wieder in Kraft setzen könnte. Jedenfalls würde eine Ablehnung des Gesetzes für den Bundesrat die Hürden erhöhen, um bei einer nächsten Pandemie Finanzhilfen durchzusetzen.
Nichtsdestotrotz wird der Bundesrat weiterhin fähig und gewillt sein, Massnahmen gestützt auf das Epidemiengesetz zu treffen. Dies schliesst unter anderem die Schliessung von Läden und Restaurants mit ein, das Verbot von Veranstaltungen und den Kauf und die Verteilung von Impfstoffen.
Interview mit Tanja Blume, Co-Präsidentin JUSO Kanton Bern
Gemäss dem Referendumskomitee wird mit dem COVID-19 Zertifikat eine indirekte Impfpflicht eingeführt. Handelt es sich tatsächlich um eine indirekte Impfpflicht? Und ist es in Ordnung eine solche einzuführen?
Es ist sehr wichtig, dass nicht nur Geimpfte, sondern auch Genesene und Getestete dieses Zertifikat erhalten. Somit handelt es sich nicht um eine Impfpflicht.
Nur so kommen wir Schritt für Schritt wieder in Richtung Normalität.
Die COVID-19 Krise führt zu einem enormen Schuldenberg, mit einem NEIN zum COVID-19 Gesetz könnte man diesen Schuldenberg reduzieren. Weshalb sollte man trotzdem Ja stimmen?
Man muss dies immer ein bisschen relativieren. Am 26. September 2021 werden wir über die 99%-Initiative abstimmen, damit können wir diesen Schuldenberg problemlos wieder minimieren, ohne Steuererhöhungen für den Mittelstand oder Geringverdienende. Einzelne Personen in der Schweiz haben ein Vermögen, welches dem Schuldenberg dieser Krise entspricht. Das Geld ist also sehr wohl da, es ist einfach falsch verteilt. Sogar die Gegner*innen des COVID-19 Gesetzes sind sich einig, dass es diese Hilfsgelder braucht, um Konkurse zu verhindern. Bei einem Nein zum Gesetz fangen wir aber wieder von vorne an und viele Existenzen wären bedroht. Es ist uns auch klar, dass diese Hilfen nicht perfekt sind, doch wir konnten einen guten Kompromiss schliessen.
Ueli Maurer spricht von Schulden pro Stunde oder sogar von Schulden pro Minute und wie schlimm das Ganze sei. Man muss diesen Schuldenberg aber schon auch in Relation sehen. Beispielsweise die 99%-Initiative könnte uns helfen bei der Bewältigung dieser Krise. Einzelne Personen in der Schweiz haben ein Vermögen, welches dem Schuldenberg dieser Krise entspricht. Das Geld ist also sehr wohl da, es ist einfach falsch verteilt.
Bisher scheint die Debatte sehr ruhig zu verlaufen. Man sieht beispielsweise nur sehr wenige bis keine Plakate. Auch wenn die Umfragewerte klar auf ein Ja hindeuten, gehen hier die Befürworter*innen nicht ein gewisses Risiko ein?
Ja es tatsächlich so, dass wenn so viele Abstimmungen anstehen, es schwieriger ist, Ressourcen für den Abstimmungskampf bereitzustellen. Zudem sind es auch sehr viele wichtige Abstimmungen!
Ich bin aber sehr zuversichtlich, denn es wird viel Aufklärungsarbeit betrieben. Ich denke es braucht deshalb nicht viel Werbung. Sondern es ist einfach wichtig, dass wird gewisse Mythen entkräften und die Notwendigkeit hervorheben.
Gemäss dem Referendumskomitee werden die Kollateralschäden der «Zwangsmassnahmen» massiv unterschätzt. Deshalb fordern Sie seit Monaten eine komplette Aufhebung aller Massnahmen. Werden die Kollateralschäden tatsächlich unterschätzt und wäre eine sofortige Aufhebung aller Massnahmen sinnvoll?
Sehr spannende Frage. Gerade heute im Studium ging es um eine vergleichbare Frage im Zusammenhang mit der Spanischen Grippe. Konkret um Statistiken, welche aufzeigen in welchen Städten wie auf die Pandemie reagiert wurde. Städte, welche sehr entschlossen und restriktiv auf diese Krise reagiert haben, haben nicht nur weniger Tote zu beklagen, sondern konnte nachher auch schneller wieder Wirtschaftswachstum erzielen.
Eine kranke Gesellschaft kann nicht arbeiten, nicht wirtschaften. Deshalb muss man schon sehen, wenn man keine Massnahme ergreifen würde, dann würde es nicht nur viele Tote geben und das Gesundheitssystem würde zusammenbrechen. Sondern es würden auch viele andere wirtschaftliche Schäden entstehen, da beispielsweise mehrere Mitarbeiter*innen einer Abteilung gleichzeitig über mehrere Wochen erkranken könnten. Ich glaube nicht, dass die Kollateralschäden unterschätz werden. Es ist deshalb wichtig, dass die Schäden in erster Linie von denen bezahlt werden, welche das nötige Geld dazu haben.
Länder wie beispielsweise Israel haben bereits rund 60% der Bevölkerung vollständig geimpft und die Schweiz hat unterdessen bereits rund 26 Millionen Impfdosen bei Moderna und Pfizer/Biontech bestellt (dazu gesellen sich noch einmal rund 16 Millionen Dosen von Astrazeneca, Curevac sowie Novavax (allesamt noch nicht zugelassen)). Das sind somit rund 42 Millionen Impfdosen für 8.5 Millionen Einwohner. Gleichzeitig haben viele Länder aktuell weniger als 1% ihrer Bevölkerung geimpft und eine wesentliche Verbesserung des Impffortschritts ist nicht in Sicht. Dies auch bei sehr bevölkerungsstarken Ländern, wie beispielsweise Nigeria (201 Millionen Einwohner*innen), Äthiopien (112 Millionen Einwohner*innen) oder der Demokratische Republik Kongo (101 Millionen Einwohner*innen). Hier läuft doch etwas falsch?
Noch einmal eine sehr gute Frage. Hier läuft definitiv etwas falsch. Es freut mich grundsätzlich, dass es mehrere Länder gibt, welche grosse Impffortschritte machen können. Es ist aber problematisch, dass viele Länder kaum vorwärtskommen beim Impfen. Umso wichtiger ist es, das Problem beim Namen zu nennen: Impfpatente!
Sogar Joe Biden fordert, dass man dieses Impfpatent zumindest kurzfristig aufheben sollte. Es ist auch im Interesse von uns allem, dass sich ein möglichst grosser Teil der Weltbevölkerung so schnell wie möglich impfen kann. Denn wenn sich das Virus in Entwicklungsländern weiterhin nahezu unbegrenzt ausbreiten kann, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis in diesen Ländern neue Mutationen entstehen. Ob dann die Impfungen noch schützen, ist bei weitem nicht sicher. Zudem wäre es auch ein grosser Akt der Solidarität.
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